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Der Restauranttest der Woche
Sommerfeld
Nach 15 Jahren und drei Michelin Sternen setzt der Nachfolger von Gustav und Weinnsinn auf Fine-Dining auf höchstem Niveau in lockerer Atmosphäre.
Zwei Top-Restaurants mit zusammen drei Sternen – das war die eindrucksvolle Bilanz des Gastronomen-Ehepaars Scheiber in Frankfurt, bis im Juli die traurige Nachricht kam: Alles vorbei, sowohl für das Gustav mit seinen zwei als auch das Weinsinn mit einem Stern gaben sie nach 10 bzw. 15 Jahren die Schließung bekannt – und das so knapp vor Erscheinen der neuen Ausgabe unseres Restaurantführers FRANKFURT GEHT AUS!, dass Sonderschichten fällig waren, um die bereits erfolgreich getesteten Restaurants wieder aus dem Heft zu entfernen.
Im Fall Gustav bildeten das Ende des Mietvertrags, Schwierigkeiten bei der Aushandlung einer Verlängerung, der generell schwierige Markt, Meinungsverschiedenheiten mit dem Küchenchef und die Doppelbelastung durch zwei Betriebe eine explosive Mischung, die das Schicksal des Restaurants besiegelte. Es gibt aber Quellen in der Stadt, die vernommen haben wollen, dass Küchenchef Jochim Busch sich mit dem Vermieter einig geworden sei – es bleibt also mit Spannung zu erwarten, was da noch kommt.
Damit kommen wir endlich zum Sommerfeld, denn unter diesem Namen hat das Ehepaar Scheiber gerade das ehemalige Weinsinn am bekannten Ort wieder auferstehen lassen. Wenn man das Sommerfeld betritt, sieht auch alles sehr vertraut aus. Bei der Kunst an den Wänden sind Mitbringsel aus dem Gustav erkennbar, fast alles andere ist unverändert, worüber wir erfreut sind, denn das Weinsinn war nach dem Umzug ins Bahnhofsviertel eine im urban-contemporary Chic geschmackvoll eingerichtete Adresse. Man fragt sich aber an dieser Stelle, warum denn der beliebte Name offenbar weg musste.
Konsequentes Fünf-Gänge-Menü
Die erste Antwort gibt schon die Karte, die zweite folgt auf dem Teller. Vorbei die Zeiten, wo man den Umfang des Menüs bis hinauf zu sieben Gängen selbst bestimmen konnte; auch eine Auswahl an Menüs oder gar à la Carte gibt es nicht mehr. Im Sommerfeld setzen die Scheibers konsequenter als die meisten Kollegen auf eine gelungene Inszenierung, die für Vegetarier/Veganer und im Falle von Allergien angepasst werden kann, aber keine Auswahlmöglichkeiten bietet – es ist wie bei Muttern, es wird gegessen, was auf den Tisch kommt. Aber ohne meiner Mutter, einer vorzüglichen Köchin, zu nahe zu treten: Was bei Scheibers auf den Tisch kommt, das spielt in einer besonderen Liga, das möchten Sie sowieso essen, Auswahl nicht nötig. Wer dennoch auswählen möchte, kommt bei der umfangreichen Weinkarte auf seine Kosten.
Das Speiseprogramm präsentiert sich auf der Karte fast schon bescheiden als Menü aus fünf Gängen. Aber dann gibt es noch zwei Grüße aus der Küche vorweg, wirklich herausragend gutes Sauerteigbrot aus eigener Herstellung zwischendurch und ein zweites Dessert. Wenn wir jetzt noch verraten, dass der Hauptgang in zwei Durchgängen kommt, dann merkt auch der Letzte, dass das mit dem bescheiden klingenden Fünf-Gang Menü ein bisschen geschummelt ist, aber keine Angst: Die Portionen sind so bemessen, dass man gesättigt und zufrieden aufsteht - aber ohne das Gefühl, sich gerade eine Völlerei geleistet zu haben. Den Preis von 149 Euro darf man dafür in der heutigen Zeit schon fast als Sonderangebot bezeichnen und wenn der durch den Namenswechsel verlorene Stern im nächsten Frühjahr zurückkehren sollte, wovon man ausgehen darf, dann wird’s bestimmt auch wieder teurer. Die alte Weisheit, dass man sich, je mehr man die Auswahl der Speisen beschränkt, umso besser auf die einzelnen Teller konzentrieren kann, bestätigt sich – und damit das neue Konzept – auch hier. Was uns zur zweiten Änderung bringt.
„Best of“ mit neuem alten Küchenchef
Der neue alte Küchenchef Daniel Pletsch war Souschef unter Jochim Busch im Gustav und übernahm dann das Weinsinn, blieb aber ein Stück weit Sous-Chef, denn der Zwei-Sterne-Koch Busch blieb sein kulinarischer Vorgesetzter. Das ist im Sommerfeld anders, und man merkt es deutlich. Busch hat mit Recht darauf geachtet, dass seine beiden Top-Restaurants sich nicht gegenseitig Konkurrenz machten, das Gustav stand für seine moderne, bis zum Dessert hin gemüse-betonte, mit regionalen Produkten arbeitende Nova-Regio Küche, die einst das Noma in Kopenhagen weltberühmt machte, während das Weinsinn mit klassisch-moderner Haute Cuisine punktete. Das Sommerfeld ist ganz klar als eine Art „Best of“ beider Ansätze gedacht und das funktioniert erstaunlich gut. Pletsch darf hier mehr Gustav-Stil zeigen als vorher und tut das auch und das Ergebnis ist eine wirklich überzeugende kulinarische Fusion der beiden Vorgänger.
Fällt der erste Gruß aus der Küche, dünn geschnittene und geschichtete gegrillte Rote Bete mit Ziegenfrischkäse und Dill mangels erschmeckbarer Grillaromen noch in die Rubrik nett, aber belanglos, geht es mit der Nummer Zwei richtig zur Sache. Ein Stück Sellerie im Salzteig zu backen, erweist sich als geniale Garmethode um dieses bewährte Gemüse in Höchstform zu präsentieren und die Kombination mit einer Sauerteig-Velouté, Liebstöckelöl und Meerrettich ist hochkreative Gemüseküche oder auch Gustav pur. Mit einem sanft gebeizten Saibling aus dem Spessart, belegt mit Radieschenscheiben und serviert in einer Dashi Beurre Blanc gelingt die Verbindung von klassisch-schwerer Haute Cuisine mit japanisch-leichter Aromatik und das mitgelieferte Schälchen mit Radieschenwasser und etwas Essig macht ein raffiniertes Gesamtkunstwerk daraus. Auch hier gilt: Das Gustav muss man nicht mehr vermissen, hier ist die Schule von Jochim Busch deutlich zu erkennen, aber es fehlt die Strenge, es darf auch mal mit ordentlich Butter aus dem Vollen geschöpft werden.
Moderne regionale Küche auf höchstem Niveau
Und so geht es auch gleich weiter: Jetzt mit Kohlrabi, dem vielleicht feinsten der heimischen Knollengewächse. Der wird nach dem bewährten Motto „von nichts kommt nichts“ in Nußbutter gegart und mit gereifter Buttermilch, Petersiliencoulis, Rapssamen und für den Kick noch etwas Zitrone versetzt. Auch das ist moderne regionale Küche auf höchstem Niveau, wie wir sie seit Matthias Schmidt, Jochim Busch und Ricky Saward kennen, und der (im Vergleich) Schuss weniger Dogmatik und mehr Genuss tut der Sache gut. Diese Tendenz wird mit den abschließenden drei warmen Gängen noch deutlicher, denn jetzt geht’s von modern-gemüsig zu klassisch modern und damit wird es zunehmend weinsinnig. Der sanft gegarte Zander in klarer, tomatisierter Fischessenz ist ein Lehrstück für alle, die wissen wollen, wie man feine und intensive Aromen auf einem Teller perfekt abmischt – absolut großartig, ein Genuss.
Die selbe Stilistik findet sich im ersten Teil des Hauptgangs. Eine Maultasche mit Perlhuhnfüllung tritt an die Stelle des Zanders, ihr Sud an die Stelle der Fischessenz und aromatisch-süsse Roscoff-Zwiebeln übernehmen die Rolle der Tomaten. Es folgt als Höhepunkt die leicht geräucherte Keule des Perlhuhns, die Kruste und die Röstaromen verraten handwerkliche Perfektion, geschickt kombinierte junge Artischocke und Steinpilz steuern ihre besonderen Aromen bei und man erlebt einen Küchenchef, der zu seinem eigenen Stil gefunden hat und tatsächlich einlöst, was das Ehepaar Scheiber sich ganz offensichtlich für dieses Restaurant gewünscht hat: Etwas lockeres, aber großes auf den Schultern von Gustav und Weinsinn. Wir hatten zugegeben unsere Zweifel, ob das gelingen kann. Die haben wir jetzt nicht mehr – wenn das Sommerfeld so weiter macht, dann können wir den Verlust der beiden Vorgänger verschmerzen.
Info
Sommerfeld Restaurant, Fine Dining, Bahnhofsviertel, Weserstraße 4, Tel. 56998080, Di-Do 18.30-24 Uhr, Fr/Sa 19-24 Uhr
Im Fall Gustav bildeten das Ende des Mietvertrags, Schwierigkeiten bei der Aushandlung einer Verlängerung, der generell schwierige Markt, Meinungsverschiedenheiten mit dem Küchenchef und die Doppelbelastung durch zwei Betriebe eine explosive Mischung, die das Schicksal des Restaurants besiegelte. Es gibt aber Quellen in der Stadt, die vernommen haben wollen, dass Küchenchef Jochim Busch sich mit dem Vermieter einig geworden sei – es bleibt also mit Spannung zu erwarten, was da noch kommt.
Damit kommen wir endlich zum Sommerfeld, denn unter diesem Namen hat das Ehepaar Scheiber gerade das ehemalige Weinsinn am bekannten Ort wieder auferstehen lassen. Wenn man das Sommerfeld betritt, sieht auch alles sehr vertraut aus. Bei der Kunst an den Wänden sind Mitbringsel aus dem Gustav erkennbar, fast alles andere ist unverändert, worüber wir erfreut sind, denn das Weinsinn war nach dem Umzug ins Bahnhofsviertel eine im urban-contemporary Chic geschmackvoll eingerichtete Adresse. Man fragt sich aber an dieser Stelle, warum denn der beliebte Name offenbar weg musste.
Die erste Antwort gibt schon die Karte, die zweite folgt auf dem Teller. Vorbei die Zeiten, wo man den Umfang des Menüs bis hinauf zu sieben Gängen selbst bestimmen konnte; auch eine Auswahl an Menüs oder gar à la Carte gibt es nicht mehr. Im Sommerfeld setzen die Scheibers konsequenter als die meisten Kollegen auf eine gelungene Inszenierung, die für Vegetarier/Veganer und im Falle von Allergien angepasst werden kann, aber keine Auswahlmöglichkeiten bietet – es ist wie bei Muttern, es wird gegessen, was auf den Tisch kommt. Aber ohne meiner Mutter, einer vorzüglichen Köchin, zu nahe zu treten: Was bei Scheibers auf den Tisch kommt, das spielt in einer besonderen Liga, das möchten Sie sowieso essen, Auswahl nicht nötig. Wer dennoch auswählen möchte, kommt bei der umfangreichen Weinkarte auf seine Kosten.
Das Speiseprogramm präsentiert sich auf der Karte fast schon bescheiden als Menü aus fünf Gängen. Aber dann gibt es noch zwei Grüße aus der Küche vorweg, wirklich herausragend gutes Sauerteigbrot aus eigener Herstellung zwischendurch und ein zweites Dessert. Wenn wir jetzt noch verraten, dass der Hauptgang in zwei Durchgängen kommt, dann merkt auch der Letzte, dass das mit dem bescheiden klingenden Fünf-Gang Menü ein bisschen geschummelt ist, aber keine Angst: Die Portionen sind so bemessen, dass man gesättigt und zufrieden aufsteht - aber ohne das Gefühl, sich gerade eine Völlerei geleistet zu haben. Den Preis von 149 Euro darf man dafür in der heutigen Zeit schon fast als Sonderangebot bezeichnen und wenn der durch den Namenswechsel verlorene Stern im nächsten Frühjahr zurückkehren sollte, wovon man ausgehen darf, dann wird’s bestimmt auch wieder teurer. Die alte Weisheit, dass man sich, je mehr man die Auswahl der Speisen beschränkt, umso besser auf die einzelnen Teller konzentrieren kann, bestätigt sich – und damit das neue Konzept – auch hier. Was uns zur zweiten Änderung bringt.
Der neue alte Küchenchef Daniel Pletsch war Souschef unter Jochim Busch im Gustav und übernahm dann das Weinsinn, blieb aber ein Stück weit Sous-Chef, denn der Zwei-Sterne-Koch Busch blieb sein kulinarischer Vorgesetzter. Das ist im Sommerfeld anders, und man merkt es deutlich. Busch hat mit Recht darauf geachtet, dass seine beiden Top-Restaurants sich nicht gegenseitig Konkurrenz machten, das Gustav stand für seine moderne, bis zum Dessert hin gemüse-betonte, mit regionalen Produkten arbeitende Nova-Regio Küche, die einst das Noma in Kopenhagen weltberühmt machte, während das Weinsinn mit klassisch-moderner Haute Cuisine punktete. Das Sommerfeld ist ganz klar als eine Art „Best of“ beider Ansätze gedacht und das funktioniert erstaunlich gut. Pletsch darf hier mehr Gustav-Stil zeigen als vorher und tut das auch und das Ergebnis ist eine wirklich überzeugende kulinarische Fusion der beiden Vorgänger.
Fällt der erste Gruß aus der Küche, dünn geschnittene und geschichtete gegrillte Rote Bete mit Ziegenfrischkäse und Dill mangels erschmeckbarer Grillaromen noch in die Rubrik nett, aber belanglos, geht es mit der Nummer Zwei richtig zur Sache. Ein Stück Sellerie im Salzteig zu backen, erweist sich als geniale Garmethode um dieses bewährte Gemüse in Höchstform zu präsentieren und die Kombination mit einer Sauerteig-Velouté, Liebstöckelöl und Meerrettich ist hochkreative Gemüseküche oder auch Gustav pur. Mit einem sanft gebeizten Saibling aus dem Spessart, belegt mit Radieschenscheiben und serviert in einer Dashi Beurre Blanc gelingt die Verbindung von klassisch-schwerer Haute Cuisine mit japanisch-leichter Aromatik und das mitgelieferte Schälchen mit Radieschenwasser und etwas Essig macht ein raffiniertes Gesamtkunstwerk daraus. Auch hier gilt: Das Gustav muss man nicht mehr vermissen, hier ist die Schule von Jochim Busch deutlich zu erkennen, aber es fehlt die Strenge, es darf auch mal mit ordentlich Butter aus dem Vollen geschöpft werden.
Und so geht es auch gleich weiter: Jetzt mit Kohlrabi, dem vielleicht feinsten der heimischen Knollengewächse. Der wird nach dem bewährten Motto „von nichts kommt nichts“ in Nußbutter gegart und mit gereifter Buttermilch, Petersiliencoulis, Rapssamen und für den Kick noch etwas Zitrone versetzt. Auch das ist moderne regionale Küche auf höchstem Niveau, wie wir sie seit Matthias Schmidt, Jochim Busch und Ricky Saward kennen, und der (im Vergleich) Schuss weniger Dogmatik und mehr Genuss tut der Sache gut. Diese Tendenz wird mit den abschließenden drei warmen Gängen noch deutlicher, denn jetzt geht’s von modern-gemüsig zu klassisch modern und damit wird es zunehmend weinsinnig. Der sanft gegarte Zander in klarer, tomatisierter Fischessenz ist ein Lehrstück für alle, die wissen wollen, wie man feine und intensive Aromen auf einem Teller perfekt abmischt – absolut großartig, ein Genuss.
Die selbe Stilistik findet sich im ersten Teil des Hauptgangs. Eine Maultasche mit Perlhuhnfüllung tritt an die Stelle des Zanders, ihr Sud an die Stelle der Fischessenz und aromatisch-süsse Roscoff-Zwiebeln übernehmen die Rolle der Tomaten. Es folgt als Höhepunkt die leicht geräucherte Keule des Perlhuhns, die Kruste und die Röstaromen verraten handwerkliche Perfektion, geschickt kombinierte junge Artischocke und Steinpilz steuern ihre besonderen Aromen bei und man erlebt einen Küchenchef, der zu seinem eigenen Stil gefunden hat und tatsächlich einlöst, was das Ehepaar Scheiber sich ganz offensichtlich für dieses Restaurant gewünscht hat: Etwas lockeres, aber großes auf den Schultern von Gustav und Weinsinn. Wir hatten zugegeben unsere Zweifel, ob das gelingen kann. Die haben wir jetzt nicht mehr – wenn das Sommerfeld so weiter macht, dann können wir den Verlust der beiden Vorgänger verschmerzen.
Sommerfeld Restaurant, Fine Dining, Bahnhofsviertel, Weserstraße 4, Tel. 56998080, Di-Do 18.30-24 Uhr, Fr/Sa 19-24 Uhr
2. Dezember 2024, 10.00 Uhr
Peter Eckard
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